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Von Antje Mayer, Manuela Hötzl.

KünstlerInnen aus Bratislava. Ausgewählt von Boris Ondreicka

XYZ,Július Koller,Anetta Mona Chisa,Roman Ondák,Denisa Lehocká und Laco Teren

Laco Teren

Wild und surreal


Laco Teren ist 1960 geboren und studierte an der Akademie für angewandte Kunst und Design (1979–1986). Er gehört zu den Künstlern einer Generation, die um die Mitte der 1980er Jahre in Bratislava mit ihrer „wilden“ Malerei Furore machte, nicht zuletzt auch als Antihaltung zur damals alles beherrschenden, „so sehr ambitionierten Konzeptkunst“ (Teren). Seine oft großformatigen, postmodern anmutenden Bilder bedienen sich klassischer Genres wie etwa des Stilllebens oder des Porträts, deren Motive er, unter anderem durch die grelle Farbpalette, ins Surreale und Absurde verfremdet. Neben seiner Malerei gestaltet Teren Skulpturen mit ähnlich surrealem Inhalt. „Art imitates life, life often imitates art“, umschreibt der Künstler selbst sein Werk. Teren ist außerdem der Initiator von M+, der ersten, im Jahr 1989 von Künstlern gegründeten Galerie in Bratislava.


Denisa Lehocká

Poesie ohne Worte


Denisa Lehocká, geboren 1971, ist eine Vertreterin der Bratislaver Szene der 1990er Jahre. Seit fünf Jahren präsentiert sie ihr Werk intensiv in internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen. Lehocká gilt als eher scheue Künstlerin, die ihre Arbeiten nicht in der Interaktion, sondern zurückgezogen im Atelier realisiert. Im weitesten Sinn kann man ihr Werk als feministisch bezeichnen, „aber weniger in einem politischen Sinne als in einem körperlichen“ (B. O.). Lehocká kombiniert in ihren „Raumarrangements“ verschiedene Ebenen der Wahrnehmung und Realität: Dinge aus der Natur, etwa Steine oder Äste, alltägliche Objekte wie Seile oder Gläser sowohl mit neuen als auch klassischen künstlerischen Medien wie Zeichnungen oder Skulpturen. Dramaturgisch wie beiläufig in Szene gesetzt sind ihre „Landschaften“, wobei weniger das narrative oder konzeptuelle Moment als das poetische in ihrem Werk von Bedeutung ist. Als „Poesie ohne Worte“ und „extrem genau und sensibel“ beschreibt ihr Ehemann Boris
Ondreicka, mit dem sie auch viel zusammenarbeitet, ihr Werk.


Roman Ondák

Stahlarbeiter & Schokolade


Roman Ondák (geboren 1966) gehört zu den internationalen Shooting Stars der Bratislaver Künstlerszene. Für die Ausstellung „Ausgeträumt …“ in der Wiener Secession 2001 stellte er etwa – für die Passanten nicht auf den ersten Blick als Kunst erkennbar – slowakische Autos auf dem Parkplatz hinter der Secession ab. Ondák wollte damit zum Nachdenken über Statussymbole, Armut, Ost-Klischees, aber auch über das ganz pragmatische Problem der Parkplatznot auffordern. Im Rahmen der 4. Österreichischen Triennale zur Fotografie 2003 irritierte der Künstler die Bürger in Graz auf ähnliche Weise. Er hängte einen orientalischen Teppich prominent über die Brüstung des Rathauses und ließ dabei die Fragen offen: Ist das ein Festschmuck? Handelt es sich um ein politisches Statement? Oder wird der Teppich nur gerade ausgelüftet? Eine außerordentlich poetische Arbeit ist die Installation „Passage“ aus dem Jahr 2004, die er als Artist in Residence in Japan konzipierte. Der Künstler ersuchte dort 500 Stahlarbeiter, Schokolade zu essen und aus der Silberfolie Figuren zu formen. Diese taten, worum sie gebeten wurden, und Ondák stellte die Figuren im Anschluss daran aus. Typisch für Ondák ist, dass er leise, persönliche, private und intime Zeichen und Gesten wählt, Alltägliches und Gewohntes so verrückt, dass er den Betrachter zum Nachfragen animiert. Man wird zum freien Assoziieren aufgefordert, ohne große kulturtheoretische Bezüge bemühen zu müssen.


Anetta Mona Chisa

Sex mit Bourriaud?


Die gebürtige Rumänin ist eine der Schlüsselfiguren der jungen slowakischen Hauptstadtszene. Wer mit der dortigen Kunst und Kultur in den vergangenen Jahren etwas zu tun hatte, kam an ihrer Person nicht vorbei. Als Kommunikatorin und Kuratorin kennt sie jeden, und jeder kennt sie. Vor einiger Zeit ist sie nun, „um frische Luft zu schnappen“, nach Prag übersiedelt, wo sie als Assistentin für neue Medien an der Universität für bildende Kunst in Prag lehrt. Für „Uncomfortable Heritage“ („Unbequemes Erbe“), eine Performance, die sie 2005 mit ihrer langjährigen Partnerin Lucia Tkacová realisierte, setzte sie bei einer privaten Party drei Mädchen in traditionellen slowakischen Trachten und Kopftüchern ins kleine Badezimmer, das diese nicht verlassen durften. „Auch wenn die jungen Frauen nicht irgendwie aktiv werden sollten, entwickelte sich doch allein durch ihre verstörende Anwesenheit eine intensive Kommunikation mit den Badbesuchern“, so Chisa. Ihre Arbeiten sind voller Ironie und Humor, wobei sie durchaus klassische feministische und sozialkritische Themen aufgreift. Ihre Devise: „Feminism is (not) funny.“ In der Videoarbeit mit dem ironisch-ernsten Titel „Seductive Verwertung“ unterhält sich etwa die Künstlerin mit Lucia Tkacová darüber, um welchen Preis man mit dem Kunstkritiker und -theoretiker Nicolas Bourriaud, einflussreicher Leiter des Palais de Tokyo, Sex haben würde: „Eine Einzelausstellung oder nur eine Gruppenausstellung in seinem Haus? Die Erwähnung in einem seiner Texte?“ Beide sind sich unschlüssig, um welchen Preis sie sich als Künstlerinnen „hochschlafen“ sollten.


Július Koller

UFO-Look


Július Koller (geboren 1939) ist einer der wichtigsten Vertreter seiner Generation in der Slowakei. „Seine Subversivität, Ironie und sein spleeniger Humor sind einfach unnachahmlich“, so Boris Ondreicka. In seinem 1965 publizierten Manifest spricht Koller das erste Mal von so genannten „Anti-Happenings“, auch „Anti-Bildern“ oder „Anti-Environments“. „Anti-Happenings“ sind für Koller Aktionen, die möglichst ohne künstlerische Regie neue kulturelle Situationen in unspezifischen Räumen schaffen, also Orten, die nicht ausschließlich dazu dienen, Kunst zu präsentieren. Diese subversive Strategie war nicht zuletzt durch die politische Situation in der Tschechoslowakei nach der Niederschlagung des Prager Frühlings nötig geworden, in der Künstler wie Koller nur im Untergrund oder mit für die Zensur nicht klar zuordenbaren Aktionen agieren konnten. Anfang der 1970er Jahre begann Koller sich deswegen in einen „U.F.O.-nauten“ zu verwandeln, ein Wesen, das, vereinfacht formuliert, mit minimalen Gesten in alltägliche Situationen eingreift. „Ich glaube, wir Menschen sind nicht nur irdische, sondern auch außerirdische Wesen. Der ‚U.F.O.-naut‘ ist ein Wesen, das in der Zeit durch das Universum reist“, so Koller. Er kreierte in der Folge jedes Jahr für sich einen anderen „U.F.O.-nauten“-Look, der jeweils ein anderes Wesen („Gestaltzeichen“) symbolisieren sollte – als „überirdischen“ Kommentar zu der jeweiligen politischen und sozialen Situation. Mitte der 1990er wird Július Koller im eigenen Land allmählich wiederentdeckt und nicht zuletzt durch seine von Roman Ondák kuratierte Einzelausstellung im Kölnischen Kunstverein 2003 auch im Westen bekannt.


XYZ

Verletzend/verletzlich


Die Bratislaver Künstlergruppe XYZ ist – noch – eine „Lokalgröße“ (Ondreicka), wird aber allmählich international wahrgenommen. Die beiden Künstler Milan Tittel (geb. 1966) und Matej Gavula (geb. 1972), die seit 1998 zusammenarbeiten, agieren meist in Form irritierender Aktionen und Installationen, wobei die Grenze zwischen Performance und Theater (für das sie auch als Regisseure arbeiten) fließend ist. Beide kommen von der Bildhauerei, die sie in Bratislava an der Akademie für angewandte Kunst studierten. Milan Tittel designt auch hie und da Glas. Das Thema der sich ändernden Größen- und Energieverhältnisse zieht sich durch viele Arbeiten. In der Ausstellung „XYZ WAR“ (2001) in der Priestor Gallery in Bratislava beispielsweise vergrößerte Milan Tittel Teile seiner Haut um ein Vielfaches und stellte sie neben extrem verkleinerte Waffen. In der Ausstellung „Group Portrait – Triple Presence (2005, tranzit workshop) zeigten sie fünf kleine Wachsfigürchen- Selbstporträts in einer Vitrine. „Die Selbstporträts der Künstler wurden zu Repräsentationen geklonter Identität“, schreibt der Bratislaver Kunstkritiker Daniel Grún. Darüber hängten sie lebensgroße Gruppenbilder. Die Gegensätze verletzend/verletzlich, Gruppe/Individuum, klein/groß – das ist das XYZ-Alphabet.



Text erschienen in spike ART QUARTERLY Nr. 7/2006.
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